In einem Wort: Wow.
Ich zumindest hätte nicht geglaubt angesichts der offenbaren Unmöglichkeit des Argumentierens gegen die epistemische Leere (und den offen geforderten “moralischen Totalitarismus”, so ehrlich immerhin war Margarete Stokowski zuletzt bei Spiegel Online) des populistischen Netzfeminismus einen solchen Artikel auf der Titelseite der DIE ZEIT zu finden.
Der Autor Jens Jessen glaubt zwar nicht, daß es noch möglich sein könnte, sich der totalitären Newspeak zu erwehren – während viele andere darin nichts sehen werden als einen Beweis für die andauernde Notwendigkeit radikalen Widerstands.
Aber ein bißchen Anfang kann es vielleicht schon sein. Ein Anfang für eine wirkliche Debatte über Frauen, Männer und alle dazwischen und darum. Über Gleichwertigkeit, über Unterschiede, über Begehren, sein Entstehen, seine persönlichen, psychologischen und sozialen Konsequenzen. Eine Debatte, die sich nicht schon a priori alle Antworten gegeben hat, bevor sie auch nur anfängt, Fragen zu stellen. Eine Debatte, in der sich ausnahmslos *alle* ehrlich machen. Die fehlt nämlich bisher. Fast komplett.
Und vielleicht wird sie auch möglich durch das Selbst-Eingeständnis der Schwäche, das dem Artikel zugrunde liegt: Die Probleme des Männlichen können nicht (mehr) mit dem Argument seiner Normativität unter den Tisch gekehrt werden. Und so bekommen nun auch Männer ein diskursives Geschlecht: “The Man” wird nun einfach zum Mann. Auch diese Entzauberung könnte einen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen.
An der Problematik gruppenbasierter Subjektivität und auf ihr basierter epistemischer Privilegien kommen wir natürlich auch so nicht herum. Hier stehen wir schlicht vor der Frage, die wir uns auch individuell immer wieder stellen müssen: kann ich einen anderen Menschen je wirklich verstehen? Und was bedeutet es für unser Verständnis des Wesens unserer Welt, wenn wir uns am Ende eingestehen müssten: nein, das geht nicht.
Wenn wir dann nicht mehr mit-, sondern nurmehr nebeneinander leben könnten.
Das wäre, da hat Jens Jessen vollkommen recht, auch die Konsequenz des modernen Matrix-Feminismus, auch wenn es wohl das Letzte wäre, was seine Vertreter_*innen wollen würden. Nur stoßen eben auch sie – unbewußt – offenbar ständig an den äußeren Rand dessen, was sie wissen können. Wie schreibt Jessen am Ende –
“So geht es auch heute nicht um die Gleichberechtigung der Frauen, sondern um den ideologischen Triumph des totalitären Feminismus. Das ist, um es zart zu sagen, ein bisschen traurig. Und es wird uns auf dem Weg zu Gleichberechtigung, Gleichbezahlung und sexueller Selbstbestimmung, den Frauen und Männer gemeinsam gehen müssen, sicher nicht voranbringen.”
Auf eine bessere Diskussion für alle. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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Bildquelle/image source: By Rob Kall from Bucks County, PA, USA – #womensmarch2018 Philly Philadelphia #MeToo, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66321810