Bürgerrechte

Vaporware

Telepolis hat sich die gesammelten Statements der Herren Zierke, Schäuble und Beckstein zum Thema Online-Durchsuchung etwas genauer angesehen und wird so manchen ins Grübeln bringen – ist die Ignoranz der politischen Klasse echt oder nur vorgetäuscht, damit man ihnen zumindest die guten Absichten bei ihren Überwachungsinitiativen abnimmt?

Übrigens zitiert der Artikel einen FAZ Bericht, demzufolge 160 Millionen Euro für die Entwicklung der Online-Durchsuchungs-Software angesetzt sein sollen. Solche Summen gibt eigentlich nur die Bundesagentur für Arbeit auf dem kleinen Dienstweg aus. Und bei den Aussagen zum Thema Windows/NSA/Backdoor stellt sich ebenfalls die Frage, ob die verbale Unbedarftheit Ausdruck eines unspezifischen Wissens oder eines unspezifischen Unwissens ist.

Früher betrieben wir Kremldeutung. Heute müssen wir unsere eigenen Politiker richtig deuten lernen.

Times are a changing.

Vielleicht kann, ja muss man sich das so vorstellen: Da saßen zwei, drei beamtete Hobby-Programmierer in der BKA-Kantine und erzählten davon, was sie so theoretisch alles könnten. Und das ging durch die Schiene ihrer Vorgesetzten nach ganz oben, wo es zwar nicht so richtig verstanden wurde – und jetzt reden Zierke, Schäuble und Beckstein tagaus, tagein von dringend erforderlichen Gesetzesänderungen.

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Bürgerrechte

Copland, anyone?

In der Süddeutschen erklärt Heribert Prantl dem BKA-Präsidenten Jörg Ziercke, wie man “Grundgesetz” buchstabiert – und warum man das als Polizist wissen sollte.

Aber das ist es nun einmal, was den Staat von einer Räuberbande unterscheidet: Wenn er auf die Bürger zugreift, hat er die Regeln einzuhalten, die ihm die Verfassung vorgibt. Das ständige Lamento von Sicherheitsbehörden über Grenzen, die das Recht ihnen auferlege, gehen einem auf den Geist.

Erstens sind die Grenzen in den vergangenen Jahren vom Gesetzgeber ohnehin stets zurückgenommen worden; zum anderen ist es nun einmal Kennzeichen des Rechtsstaates, dass es Grenzen des staatlichen Agierens gibt.

Ein verfassungsgemäßes Gesetz für Online-Durchsuchungen muss zweifellos den Anforderungen genügen, die das Verfassungsgericht an den Lauschangriff gestellt hat. Wenn die Sicherheitsbehörden diese Anforderungen “aus praktischen Gründen” nicht akzeptieren wollen, bleibt die Online-Durchsuchung verboten. So einfach ist das . Der staatliche Hacker macht sich dann strafbar. Die Diffamierung der Privatheit durch die Sicherheitsbehörden muss ein Ende haben.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Obwohl – das hier vielleicht: Kein 24 mehr für deutsche Politiker und Polizisten. Zuviel Jack Bauer wirkt offenbar enthemmend (Links via Lawblog.de).

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Bürgerrechte, Political Theory, US Politics

Osama BinLaden wins.

We lose. America certainly no longer is the Land Of The Free. It may be telling that the German term “Rechtsstaat” doesn’t really have a useful translation in English, but, alas, at least in the US, there may no longer be the need for one. President Bush now ordered the special tribunals, or military commissions, to be created in which so-called “enemy combattants” will be tried. Most of the defendants are currently inmates in the Guantanamo Bay detention facility. Last year, the US supreme court had stopped their creation based primarily on institutional concerns – after some political haggling, a bill was passed, and the tribunals will now be established.

Even Bush’s last friend among the German newspapers, the Frankfurter Allgemeine Zeitung, seems appalled about the seemingly totalitarian legal practices applied by these “courts”. As the newspaper reports (in German), defendants may be punished with the death penalty based on indirect witness accounts and forced testimonies.

Let’s hope Ben Franklin did not hear about it.

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oddly enough

Der neue Turkmenbashi…

heißt Berdymuhammedow. Tomasz Konicz berichtet für Telepolis aus Turkmenistan, einem Land, in dem mehr als nur die Wahl des neuen Präsidenten von einer tragischen Komik zu sein scheint. Immerhin hat der Neue, obgleich eigentlich gar nicht (passiv) wahlberechtigt, gleich ein Ergebnis erhalten, von dem ein Stoiber nur träumen kann.

Nahezu 99 Prozent der Turkmenen sollen sich an den Präsidentschaftswahlen beteiligt und den favorisierten Berdymuhammedow mit der überwältigenden Mehrheit von 89 Prozent gewählt haben.

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compulsory reading, oddly enough, USA

Pornopixel absurd.

Angesichts der Ubiquität von Nacktheit in westlichen Gesellschaften finde ich es überaus erstaunlich, welche Kontroversen Pornographie immer noch hervorrufen kann, und wie sehr man sie immer noch zur politischen und sonstigen Provokation heranziehen kann.

Gestern informierte die Süddeutsche Zeitung darüber, daß die Jungen Liberalen Niedersachsen in Person ihres Vorsitzenden Christopher Vorwerk ihr Organisationsestablishment und die Parteiobrigkeit mit einer politisch unbequemen Version von “make love not war” konfrontierten. Ein Unding sei es nämlich, daß

„[d]er Gesetzgeber den Geschlechtsakt zwischen 16-Jährigen [legitimiere, es ihnen aber] bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres [untersage,] dabei zuzusehen.”

Auch sollten Fernsehsender ab 24 Uhr Pornografie ausstrahlen dürfen. Denn

„[e]s geht darum, dass in den Medien mit zweierlei Maß gemessen wird. Gewalt und Leichen, aber kein Akt der Liebe.“

Auch wenn diese Forderung, den Jugendschutz zu lockern, politisch trotz des offensichtlichen Koalitionsangebots an das Privatfernsehen zur Zeit zweifelsohne chancenlos ist, rechtssystematisch ist sie meines Erachtens nicht a priori von der Hand zu weisen, wenngleich ich die Behauptung des jungliberalen Vorstands Florian Bernschneider –

„Jugendliche sind mit 16 Jahren alt genug, um selbst zu entscheiden, was sie ansehen“ –

für eher abenteuerlich halte. Allerdings sind auch die meisten Erwachsenen damit deutlich überfordert, so daß das Argument sowohl für die eine als auch für die andere Seite unbrauchbar ist. Ein Schelm übrigens, wer den beiden im Artikel zitierten Jungen Liberalen unterstellt, sie verfolgten ein spezifisches Eigeninteresse: Herr Vorwerck ist laut der Webseite der JuLis Niedersachsen 23 Jahre alt und somit sicher mehr Li als Ju, und auch Herr Bernschneider darf die Früchte der Volljährigkeit bereits seit einem Jahr genießen.

Ganz andere, deutlich gravierende Probleme mit Pornographie hat übrigens eine Lehrerin aus Norwich in Connecticut, wie Spiegel Online unter dem literarisch wertvollen Titel “Porno-Pop-Ups” berichtet:

Die Aushilfslehrerin in einer Mittelschule von Norwich (US-Bundesstaat Conneticut) habe die Elf- und Zwölfjährigen absichtlich oder – vielleicht – fahrlässig mit Pornographie statt mit Englischunterricht behelligt, so der Vorwurf von Behörden. Jetzt hat der Norwich Superior Court die Lehrerin für schuldig befunden – weil sie den Kindern Pornographie gezeigt habe und diese somit seelischen Schaden erlitten haben könnten. Am 2. März soll über das Strafmaß entschieden werden – Amero drohen bis zu 40 Jahre Haft.

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traveling

Salgueiro.

Angesichsts der Bilder vom Rosenmontagszug aus Mainz, Köln und Düsseldorf mag man das kaum glauben, aber Karneval wird in Brasilien tatsächlich noch etwas ernsthafter betrieben als hierzulande – allerdings auch etwas extatischer.

Es gibt viele Vorurteile gegenüber dem Karneval in Brasilien – zu viel Sex, zu viele Drogen, zu viel Gewalt. Das meiste davon ist übertrieben, auch wenn es wohl stimmt, daß man zumindest im Norden von Rio nach 22 Uhr nicht an roten Ampeln halten sollte. Ich selbst habe mich weder in Rio noch in einer anderen brasilianischen Stadt unsicher gefühlt, auch wenn das vermutlich damit zusammenhängt, daß ich selten ohne meine ortskundigen Freunde unterwegs war.

Andererseits, zuviel Ortskenntnis könnte auch problematisch sein, wie die folgende Meldung auf Spiegel Online suggeriert. Tragisch, aber vielleicht hilft der zeitliche Zusammenhang mit dem Karneval das Bewußtsein für das Gewaltproblem in Rios Norden zu schärfen. Salgueiro wird dennoch “meine Schule” bleiben – wer einmal dort gefeiert hat, wird verstehen, wieso. Und ich war schon zweimal da…

Rio de Janeiro – “Es könnte eine Hinrichtung gewesen sein”, sagte ein Polizeisprecher. Etwa 20 Schüsse habe ein Unbekannter mit einem Sturmgewehr abgegeben, berichteten brasilianische Medien. Die Polizei wollte das nicht bestätigen. Der 40-jährige Vize-Leiter der Sambaschule Salgueiro, Guaracy Paes Falcao, war sofort tot. Auch seine Frau wurde erschossen. Bereits 2004 war der Bruder von Falcao ermordet worden. Als Hintergrund vermutet die Polizei einen Revierkampf im Glücksspiel-Milieu.

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demography

Netzbasierte Integration.

Der Blogbote informiert über einen in der Welt erschienenen Artikel von Süleyman Artiisik, der sich mit der Internet-Nutzun junger Türken in Deutschland auseinandersetzt. Auch wenn im Artikel die Befürchtung einer von ethnisch ausgerichteten Subnetzen geprägten Parallelwelt als nicht gegeben angesehen wird – denn zumeist würde das Netz für “Liebe und Flirten” genutzt – kann man den Artikel auch anders interpretieren.

So wie sich z.B. in Saudi Arabien über das Netz und die schnelle Verbreitung von Mobiltelefonen neue Wege der geschlechtlichen Annäherung ergeben haben, über die die religiöse und kulturelle Autorität schon aus manngelndem Verständnis nur geringe Kontrolle haben, so scheint es auch im Falle der für türkische Immigranten gemachten Online Angebote zu sein –

Die beliebtesten Themen sind dabei Liebe, Flirt und Partnerschaft. “Besonders für ein türkisches Mädchen aus einer traditionellen Familie fällt es leichter, sich im Netz mit Männern auszutauschen als in der realen Welt”, sagt Kulmac. Viele dieser Mädchen hofften somit auf diese Weise den Mann fürs Leben zu finden.

Austausch mit Männern? Ob das nun eine Parallelwelt zur “offline-Realität” vieler junger türkischstämmiger Frauen ist, oder, wie der im Artikel befragte Experte für sogenannte Ethnoportale, Kai-Uwe Hugger, meint, “[eine neue kommunikative] Zwischenwelt, [die] sie als Ressource für den eigenen Identitätsaufbau zu nutzen,” das ist wohl eher zweitrangig.

Wichtig ist die Erkenntnis, daß das Netz seinen Beitrag zur kulturellen Integration zu leisten scheint. Trotz aller politischen Fehler, die in diesem Zusammenhang gemacht wurden und werden.

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intellectual property rights, music industry

Richter und Realität

Ein Richter am Amtsgericht in Meschede stellte ein strafrechtliches Urheberrechtsverfahren angesichts verbleibender zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Angeklagten gegen Zahlung von 2300 Euro Geldbuße ein. Laut heise online soll sich der Richter folgendermaßen zum Thema geäußert haben:

[E]s [gebe] beim Thema “Raubkopie” ein nicht besonders großes Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung. “Wenn man wahllos eine Durchsuchung machen würde, würde man vermutlich bei jedem Zweiten eine gebrannte CD finden”

Gebrannte CDs sind zwar nicht a priori illegal – meine zum Beispiel enthalten zumeist meine eigenen Songs – und es gibt schließlich auch nach wie vor ein Recht auf Privatkopie, wenn auch schon deutlich durchlöchert. Allerdings stimmt die Einschätzung natürlich tendenziell – wenn er auch noch nicht den nächsten gedanklichen Schritt vollzogen hat, nämlich den, nicht länger zu versuchen, sich mit rechtlichen Mitteln gegen die Veänderung der ökonomischen Struktur einer Branche zu wehren. Da ist er allerdings nicht allein – allerdings stirbt die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt.

Ob er wohl am Abend bei seinen Kindern nach gebrannten CDs gesucht hat?

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oddly enough, traveling

Mona Lisa’s Lächeln

Mona Lisa (source: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Mona_Lisa.jpg)ist schon was besonderes. Auch wenn ich persönlich das Bild weniger beeindruckend finde, als manch anderen Schatz, den es im Louvre zu bewundern gibt, ist das Bild Leonardo da Vincis wohl immer noch die massenwirksamste Attraktion des Museums. Bis zu 65.000 Besucher sollen es sein, tagein, tagaus, die sie sehen wollen. Definitiv zuviele, zumindest nach Auffassung der für ihre Sicherheit verantwortlichen Louvre Aufseher, die nun laut Spiegel Online für eine “Mona Lisa Zulage” streiken.

Vor Leonardo da Vincis Bildnis der jungen Frau drängte sich immer die größte Schar von Besuchern. “Das Gequassel der Menge tut richtig weh”, sagte ein Aufseher heute. … Und immer wieder müsse man das Fotografieren mit Blitzlicht unterbinden.

Man sollte allerdings auch bemerken, daß der Amüsationsfaktor angesichsts der anwesenden Massen dort ebenfalls am größten ist. Als ich Mona Lisa zum ersten Mal gegenüber trat, stand rechts von mir ein amerikanisches Paar, dessen Ehrgeiz, sich mit klassischer europäischer Kunst auseinander zu setzen, seinem Patriotismus keinen Abbruch tat. Und so identifizierte die Frau nach einiger Überlegung konsequent, was dem Bild Leonardos zur tatsächlichen Perfektion fehlt:

“Would have been better, had it been painted in America.”

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