compulsory reading, photoblogging

Bloglese­nachlese

Die mangelnde Einbindung meines Blogs in der deutschen (trotz der so vielversprechenden Domain…) und – viel wichtiger – regionalen Blogosphäre wurde mir am letzten Freitag mal wieder dramatisch vor Augen geführt. Wenn ich nicht eher zufällig noch mal auf Gerrit van Aakens immer lesenswertem Designblog Praegnanz.de vorbeigeschaut hätte – die erste Mainzer Bloglesung wäre an mir vorbeigegangen, genau so wie die Entwicklung der regionalen Blogosphäre offenbar an mir vorbei gegangen ist.

Welche regionalen Blogs kannte ich denn vor Freitag Abend? Die 6th international von Mrs Tilton, meiner Mitautorin bei A Fistful Of Euros, Gerrits praegnanz.de (Tip: er ist beim May 1st reboot dabei, ich werde das bei afoe nicht mehr schaffen!), und an Bebals Blog erinnnere ich mich entfernt aus den Zeiten als Gentry Lane noch Freud’s Fave war. Die Chancen, bei der ersten Mainzer Blognacht eine enorme Bereicherung meines blogkulturellen Horizonts zu erfahren, standen also nicht schlecht.

Die Lesenden waren:

Ynnette – Die ewige Baustelle im Kopf
Der Haken – on Creatives, Economics, Geekystuff, Politics, WhatEver …
Gerrit van Aaken
The Saint – via est finis
Bandini – Bandinis Tage
Don Dahlmann – irgendwas ist ja immer

Es ist wohl eine interpretationsbedürftige kulturelle Aussage daß sich Bloglesungen als Form des Bloggertreffens in Deutschland besonderer Bedeutung erfreuen, denn hier bedingen sich Form und Inhalt in besonderer Weise, und damit bietet sich auch denjenigen Kritikern eine Angriffsfläche, die – nicht völlig grundlos – eine gewisse Inkompatibilität zwischen Medium und Vortragsform zu erkennen glauben. Aber manchmal muß man inhärente konzeptionelle Schwächen einfach zur Seite schieben, und sich offen auf das einlassen, was da kommen würde.

So gesehen war dann auch die Anwesenheit des Wirtschaftsdezernenten der Stadt Mainz, Franz Ringhofer, bei der vom Webportal Doppelklicker.de des Mainzer IT-Dienstleisters Schwarzer.de organisierten, kulturellen Veranstaltung angemessen. Er ist vermutlich der erste Politiker ist, der statt salbender Worte zur Begrüßung seinen Landtagswahlabend in Form eines – imaginären – Blogbeitrags vortrug, mit dem er die Eigenheiten von Blogs als literarischem Genre – inklusive aller Schwächen – wohl intuitiv korrekt erfaßt hat, auch wenn wohl jedem klar war daß nicht alle Beiträge an die sprachliche Qualität einer Katharina Borchert alias Lyssa heranreichen würden.

Dennoch, insgesamt fand ich das sprachliche Niveau durchaus ansprechend, auf keinen Fall lag es unter dem, was man bei so manch “professioneller” Dichterlesung zu hören bekommt, für die die Texte nicht selten durchredigiert werden.

Das wiederum ist ein interessanter Hinweis auf die – zumindest im immer noch embryonalen Zustand der deutschen Blogosphäre – funktionierenden Selbstauswahlmechanismen des Mediums als Literaturform: Tagebuchform hin, best-of-my-blogposts-Auswahl her, letztlich wurden zumeist keine dear-diary-Autobiographien vorgetragen, die aufgrund von Form und Inhalt nur für den Autor und seine direkte Umgebung interessant sein können.

Vielleicht wäre es für die Entwicklung von Bloglesungen aber mal interessant, das was Gerrit van Aaken als das wesentliche Problem seiner Lesung sah – die tendenzielle Nichtlesbarkeit von nicht erzählenden Blogbeiträgen – als Chance zur begreifen, die Grenzen der Kunstform zu sprengen. Vielleicht sollte man wirklich mal Beiträge aus Linkhub-blogs lesen, oder solche, die sich mit der Frage der standardkonformen Ausbügelung von Box-Model-Fehlern im Internet Explorer 5.5 auseinandersetzen.

Bei jedem Kunstwerk liegt die Schönheit natürlich im Auge des Betrachters, und so war es auch an diesem Abend – wie nicht zuletzt der Schlußsatz von The Saints Nachbesprechung belegt, der eine ganz und gar nicht uninteressante Frage stellt:

“Apropos Podcast, wenn mir irgendeiner mal sagen kann wer die Kleine war, die mit dem Podcast-Mikro rumgesprungen ist, her damit *pfeif*”

PS – Einen kurzen Podcast mit Stimmen aus dem Publikum und drei Kurzinterviews mit Lesenden gibt es bei La Ultima Ola. Mehr Berichterstattung soll in den kommenden Tagen bei www.doppelklicker.de stattfinden.

PPS – Kommentare werden zwar grundsätzlich akzeptiert, aber aufgrund eines Perl-Versionskonflikts bei meinem Noch-Provider ist das System im Moment leider etwas instabil.

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