Bürgerrechte

Copland, anyone?

In der Süddeutschen erklärt Heribert Prantl dem BKA-Präsidenten Jörg Ziercke, wie man “Grundgesetz” buchstabiert – und warum man das als Polizist wissen sollte.

Aber das ist es nun einmal, was den Staat von einer Räuberbande unterscheidet: Wenn er auf die Bürger zugreift, hat er die Regeln einzuhalten, die ihm die Verfassung vorgibt. Das ständige Lamento von Sicherheitsbehörden über Grenzen, die das Recht ihnen auferlege, gehen einem auf den Geist.

Erstens sind die Grenzen in den vergangenen Jahren vom Gesetzgeber ohnehin stets zurückgenommen worden; zum anderen ist es nun einmal Kennzeichen des Rechtsstaates, dass es Grenzen des staatlichen Agierens gibt.

Ein verfassungsgemäßes Gesetz für Online-Durchsuchungen muss zweifellos den Anforderungen genügen, die das Verfassungsgericht an den Lauschangriff gestellt hat. Wenn die Sicherheitsbehörden diese Anforderungen “aus praktischen Gründen” nicht akzeptieren wollen, bleibt die Online-Durchsuchung verboten. So einfach ist das . Der staatliche Hacker macht sich dann strafbar. Die Diffamierung der Privatheit durch die Sicherheitsbehörden muss ein Ende haben.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Obwohl – das hier vielleicht: Kein 24 mehr für deutsche Politiker und Polizisten. Zuviel Jack Bauer wirkt offenbar enthemmend (Links via Lawblog.de).

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Bürgerrechte, Political Theory, US Politics

Osama BinLaden wins.

We lose. America certainly no longer is the Land Of The Free. It may be telling that the German term “Rechtsstaat” doesn’t really have a useful translation in English, but, alas, at least in the US, there may no longer be the need for one. President Bush now ordered the special tribunals, or military commissions, to be created in which so-called “enemy combattants” will be tried. Most of the defendants are currently inmates in the Guantanamo Bay detention facility. Last year, the US supreme court had stopped their creation based primarily on institutional concerns – after some political haggling, a bill was passed, and the tribunals will now be established.

Even Bush’s last friend among the German newspapers, the Frankfurter Allgemeine Zeitung, seems appalled about the seemingly totalitarian legal practices applied by these “courts”. As the newspaper reports (in German), defendants may be punished with the death penalty based on indirect witness accounts and forced testimonies.

Let’s hope Ben Franklin did not hear about it.

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Bürgerrechte, German Politics

Organisationskommitee zur rechtstaatlichen Abwicklung bürgerlicher Freiheiten im Namen ebendieser

Seit gestern läuft Endemols Version von Big Brother wieder im Fernsehen. Die gesamtstaatliche Variante ist auch schon in Planung. Das nächste Treffen des Organisationskommitees zur rechtstaatlichen Abwicklung bürgerlicher Freiheiten im Namen ebendieser findet am Freitag im Bundesrat statt – heise online – Biometrische Daten in Ausweisdokumenten wecken Begehrlichkeiten –

Die Aufnahme biometrischer Merkmale in Pass und Personalausweis sorgt für Streitigkeiten um die Nutzung der höchstpersönlichen Daten. So fordert der Innenausschuss des Bundesrates einen automatisierten Abgleich von Lichtbild und Fingerabdruck mit zentralen Referenzdatenbanken. Überdies sollen Sicherheitsbehörden die bei einer Kontrolle durch die Polizei ausgelesenen Passdaten nicht löschen müssen, soweit und solange diese etwa im Rahmen eines Strafverfahrens oder zur Gefahrenabwehr benötigt werden könnten. Ihre Wünsche listen die Innenpolitiker der Länder in den Empfehlungen der Ausschüsse für die Behandlung des Regierungsentwurfs zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften auf, die heise online vorliegen. Am Freitag sollen die Länderfürsten im Plenum des Bundesrates über die Vorschläge entscheiden.

Am Rande, vielleicht als Hinweis an die Unionspolitiker, die derartige Fragestellungen diskutieren – nach meiner Meinung wächst der Widerstand gegen zunehmende staatliche Kontrolle unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr auch und gerade an der Parteibasis der CDU. Auch dort ist Benjamin Franklin ein Begriff.

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Allgemein

Die üblichen Verdächtigen

Nach dem Urteil des BGH zur Nichtzulässigkeitn von verdeckten Onlinedurchsuchungen haben sich die üblichen Verdächtigen zu Wort gemeldet. Bundesinnenminister Schäuble, der noch vor gut einer Woche in Davos den Wert des Datenschutzes gegenüber seinem angeblich weniger zimperlichen US-Kollegen als gesellschaftstragend verteidigt haben soll, bezeichnete es laut Heise online als

“unerlässlich, dass Strafverfolgungsbehörden eine verdeckte Online-Durchsuchung durchführen könnten und forderte eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung.”

Die Gewerkschaft der Polizei verlangte offenbar darüber hinaus,

“mit der neuen gesetzlichen Regelung auch die Behinderungen durch das Datenschutzrecht zu beseitigen.”

Das kommt nicht überraschend: Selbst die hauseigenen Juristen beim BKA werden schießlich von ihren nicht nicht staatsexaminierten Kollegen mitunter als “Verhinderer” bezeichnet. Überraschend dagegen sind die offenen Worte des bayrischen Datenschützers Karl Betzl, der heimliche Durchsuchungen als eines Rechtsstaats unwürdig bezeichnete. Laut Heise Online

“warnte [er] zudem vor immensen Schadenersatzforderungen gegen den Staat, falls Ergebnisse von Online-Durchsuchungen in die falschen Hände geraten. “Es ist unkontrollierbar, wie sich staatliche Ausforschungssoftware weiter verbreitet”… “Der Staat dürfte wohl auch für Trittbrettfahrer mithaften, die die staatliche Ausforschungssoftware missbrauchen.”

Der Bericht wirft außerdem einige bislang in der Öffentlichkeit weitgehend mißachtete Fragen auf:

“Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten und den Erwägungen über Verletzung der Grundrechte kommen in der politischen Diskussion die technischen Unwägbarkeiten und die mögliche Unwirksamkeit eines Bundestrojaners und von Online-Durchsuchungen bislang allerdings kaum vor. Angesichts der heutzutage gegen kriminelle Machenschaften von Viren- und Trojanerschreibern sowie Botnetzbetreibern empfohlenen Schutzmaßnahmen für Internetnutzer dürften die Entwickler des Bundestrojaners mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, eine Online-Durchsuchung einfach so, wie sich die Politik dies vorstellt, zu realisieren – zumal Terroristen und Cyberkriminelle nicht dafür bekannt sind, sich völlig naiv im Web zu bewegen und willenlos jeden Mailanhang anzuklicken oder dubiose Webseiten zu besuchen.”

Aber “Realitätsbezug” wird leider immer nur dann eingefordert, wenn es um die Schaffung staatlicher Zugriffsmöglichkeiten oder die Notwendigkeit der Abwägung von Bürgerrechten und Bürgersicherheit geht…

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Allgemein

Is my PC my castle?

Es soll Juristen geben, für die das heimliche Ausspähen eines Computers per Trojaner das gleiche ist, wie eine Hausdurchsuchung mit richterlichem Bescheid. Hoffen wir gemeinsam, daß es sich dabei nur um technologische Verwirrung handelt.

SPIEGEL online – Bundesgerichtshof entscheidet über heimliche Online-Durchsuchungen

Gerade erst wollte das Innenministerium die technischen Voraussetzungen für die Online-Durchsuchung von Computern verbessern. Doch erlaubt das Gesetz das heimliche Ausspähen der Festplatten überhaupt? Darüber entscheidet heute der Bundesgerichtshof.

Update: Die Verwirrung war wohl wirklich nur technisch – Die Zeit online

Nach Ansicht des BGH ist die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen aufgespielt wird (eines so genannten Trojaners), nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung. Für die heimliche Online-Durchsuchung fehle die »erforderliche Ermächtigungsgrundlage«, entschied der 3. Strafsenat.

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compulsory reading

Handy-Kunde

Zu meiner Zeit, zu meiner Zeit
Bestand noch Recht und Billigkeit.
Da wurden auch aus Kindern Leute,
Aus tugendhaften Mädchen Bräute;
Doch alles mit Bescheidenheit.
O gute Zeit, o gute Zeit!
Es ward kein Jüngling zum Verräter,
Und unsre Jungfern freiten später,
Sie reizten nicht der Mütter Neid.
O gute, Zeit, o gute Zeit!

Da das “Mozartjahr” 2006 nun ja glücklicherweise seit einem Monat vorrüber ist und die Gesellschaft für deutsche Sprache erfreulicherweise auch nicht “Köchelverzeichnis” zum Wort des Jahres gekürt hat, ist eine kleine Mozartreferenz wohl gestattet. Schließlich hat er die obigen Worte der Alten auch nur vertont, wenn Sie ihm wohl auch allzu heftig aus dem Herzen gesprochen haben dürften: Die Alte, das schönste mir bekannte Gedicht über die Ewigkeit des Generationenkonflikts stammt aus der Feder von Friedrich von Hagedorn. An der Wahrheit seiner Erkenntnis dürften wohl auch im Jahre 2007 keine Zweifel aufkommen, wenn sich das Kampfgeschehen auch zunehmend digitalisiert.

Der Lehrer als Undercover-Agent seiner Generation

War der Konfliktstoff zu meiner Zeit noch das Ausmaß von Sexualerziehung im Biologieunterricht einer katholischen Schule, so ist es heute das verflixte Handy, Internet – also jugendliche Kommunikationsnetzwerke, die die Alten nicht verstehen können und denen sie gegenwärtig ihre Ängste vor Kontrollverlust verdanken, auch wenn eher das Gegenteil der Fall sein dürfte: Danah Boyd von der School of Information (früher SIMS) in Berkeley hielt auf der LeWeb3 Konferenz in Paris einen Vortrag über ein ähnlich gelagertes Problem: Die Konsequenzen der elterlichen (oder behördlichen) Nachvollziehbarkeit von jugendlicher Peer-Gruppen Kommunikation über Seiten wie myspace.com, die von allen einsehbar sind.

Insofern stellt sich mir die Frage, ob sich hinter der Aufforderung der Medienwissenschaftlerin Iren Schulz, die laut heise online mit einer Art Handy-Kunde im Unterricht die Medienkompetenz von Schülern fördern möchte, nicht eher der Versuch verbirgt, die Kontrollkompetenz der Eltern und Erzieher mit Unterrichtsmitteln zu verbessern.

Aber gerade weil die Untersuchung von jugendlichen Netzwerken für den Erkenntnisfortschritt im Bereich neuer Kommunikationstechnologien von enormer Bedeutung ist (siehe auch den vorigen Beitrag) sollte man meines Erachtens trotz aller Ängste der Elterngeneration um den Bestand der Zivilisation angesichts von Gewalt- und Porno auf dem Minibildschirm vorsichtig mit spezifischen Regulationen sein. Natürlich lösen, da hat Frau Schulz ohne Zweifel Recht, auch

“[s]chlichte Handy-Verbote in der Schule wie in Bayern … das Problem nicht.”

Aber das gilt wohl auch für eine “Handy-Kunde”, bei der die Schüler ihrem Lehrer vermutlich zunächst mal erklären werden, warum sein Gerät eigentlich seit 4 Jahren auf den Sondermüll gehört. Auf die Spezifizität von technischen Veränderungen und die sich aus ihnen ergebenden gesellschaftlichen Herausforderungen läßt sich nicht sinnvoll mit spezifischen Maßnahmen reagieren. Das Ziel der Bildungspolitik in diesem Zusammenhang sollte einzig die offenbar verbesserungswürdige Vermittlung allgemeiner Prinzipien sein, die die Entscheidungen von Jugendlichen auch in neuen technologischen Umfeldern leiten können: Kant gilt auch bei eingeschaltetem Handy.

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Economics, intellectual property rights, music, music industry

Zweiter Korb der Urheberrechtsnovelle

Wie sich ja schon während der vergangenen zweieinhalb Jahre im Laufe der Ausarbeitung des zweiten Korbes zur Änderung des deutschen Urheberrechts abgezeichnete, hat die Bundesregierung mit dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf verpaßt, ein der Gesamtproblematik angemessenes Gesetz zu verabschieden.

Die Bundesregierung sich zumindest in einem ersten Schritt der von der “Inhalteindustrie” vertretenen Sichtweise angeschlossen, das eine weitere Aushöhlung des Rechts auf Privatkopien (jetzt mit Strafandrohung bei Verstoß auch im nicht-kommerziellen Bereich) im Zusammenspiel mit technischen Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums, dem sogenannten Digital Rights Management (DRM), sinnvoller sind als eine konzeptionelle Anpassung von überholten Eigentumsbegriffen in der digitalen Welt.

Dabei war vermutlich auch ausschlaggebend, daß die Vorlage so wie heute beschlossen wohl kaum in Karlsruhe bestand haben dürfte, angesichts der Tatsache, daß es einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Internet Service Anbietern schaffen wird, der sämtlichen bestehenden Datenschutzdoktrinen zuwider läuft.

Ebenfalls dürfte eine Rolle gespielt haben, daß das Gesetz generell, insbesondere aber ohne diesen Anspruch generell nicht durchsetzbar sein wird.

Daß die deutsche Politik sich hiermit erneut von ihrem gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch verabschiedet ist traurig, gerade angesichts der Tatsache, daß die französische Assemblée Nationale sich in dieser für die Zukunft von Wissensgesellschaften so eminent wichtigen Frage wieder als Ort gesellschaftlicher Debatte etablieren konnte – auch wenn das gestern verabschiedete franzäsische Ergebnis auch nicht wirklich zur Lösung des Problems taugt.

Man wird sehen, ob das französische Beispiel im Bundestag Früchte tragen wird. Allerdings ist meine Hoffnung gering.

Netzpolitik.org hat jede Menge anderer Reaktionen zum Kabinettsbeschluß zum 2. Korb des Urheberrechts.

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Online Dating according to Der Spiegel

This week Der Spiegel’s cover story is about online dating and the business that it has become. Unfortunately, the authors of the thirteen pages long story seem as confused about the phenomenon as Bridget Jones at the edge of reason. Alas, their writing is far less charming, even despite the fact that, statistically, almost half of the people who participated in writing the article are living in single households (according to their own data, 49% percent of households in cities with more than 500,000 inhabitants are now single households).

If you’re interested in a brief summary of what the article tried to elucidate, here’s an excerpt from an email I once sent to Regina Lynn, Wired’s “Sex Drive” columnist (and author of the on-topic book “The Sexual Revolution 2.0: Getting Connected, Upgrading Your Sex Life, and Finding True Love – or at Least a Dinner Date – in the Internet Age“), as a reply to one of her columns about the social consequences of the fact that, increasingly, what was once considered “virtual” is becoming the real thing. It’s not exactly the question dealt with by Der Spiegel, but then again, I’m not sure they had a particularly clear idea of the question they were trying to answer, so this is, I believe, a reasonable summary…

“I believe no one really knows what’s happening to the future of interpersonal relations. Our lives and contacts are more and more mediated by technology, and, as with many businesses today, the changing technology fundamentally changes the transaction costs for the coordination of human conduct.

This is, in my opinion, essentially, what all the writing about the choice dilemma and all other “modern” dating literature comes down to. As with businesses, transaction costs will not disappear in the digitally mediated world. No one even really knows if “unit costs” will eventually be signifcantly lower.

And thus, in absence of any real evidence, the “majority opinion” about the social effects of technology oscillates between “hope” (eg online dating will help reduce unit search costs for dating) and “despair” (eg online dating increases our choice dilemma and thus increases unit search costs).

In my opinion, most researchers are at least as confused as the societies they study. Maybe we will choose to develop some kind of Matrix. But remember the end of “Demolition Man”, in which Silvester Stallone introduces Sandra Bullock to the advantages physical contact has over cyber sex. No one knows what the future will bring. Which, on the other hand, ensures a market for all those, like you, who eruditely write about these issues so close to our hearts.

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Bürgerrechte, Datenschutz, internet, privacy

Read! Netzpolitik.org! Now!

Ich habe schon seit einiger Zeit keine Blogroll mehr (die, die David für afoe angelegt hat, ist ohnehin ziemlich konkurrenzlos), aber netzpolitik.org, ein Blog rund um die politischen Themen der Informationsgesellschaft, ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil meiner täglichen Onlinelektüre geworden – und das will schon was heißen.

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