Economics

Kein Spekulatius

Helmut Schmidt ist wahrlich kein Oskar Lafontaine. Daher ist es auch immer lesenswert – wenn auch nicht immer zustimmungspflichtig – wenn er sich in der Zeit zu Wort meldet: Wenn er, wie in diesem Falle, die gesellschaftliche Kontrolle von zur Zeit unkontrollierten Kapitalclustern fordert, dann stimme ich ihm darüber hinaus auch grundsätzlich zu – Helmut Schmidt: Beaufsichtigt die neuen Großspekulanten!

Die New Yorker Investmentbank Goldman Sachs hat im vergangenen Jahr 16 Milliarden Dollar an ihre Vorstände und Mitarbeiter ausgezahlt, die fünf größten amerikanischen Investmenthäuser zahlten insgesamt 36 Milliarden Dollar. Für einen normalen deutschen Staatsbürger ist das eine unvorstellbare Summe, sie entspricht in der Größenordnung der Jahreskreditaufnahme durch den deutschen Finanzminister. Man fragt sich unwillkürlich, ob auf den Finanzmärkten alles mit rechten Dingen zugeht. Der ehemalige Finanzminister Helmut Schmidt erklärt Ursachen, Zusammenhänge und Gefahren.

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compulsory reading

Handy-Kunde

Zu meiner Zeit, zu meiner Zeit
Bestand noch Recht und Billigkeit.
Da wurden auch aus Kindern Leute,
Aus tugendhaften Mädchen Bräute;
Doch alles mit Bescheidenheit.
O gute Zeit, o gute Zeit!
Es ward kein Jüngling zum Verräter,
Und unsre Jungfern freiten später,
Sie reizten nicht der Mütter Neid.
O gute, Zeit, o gute Zeit!

Da das “Mozartjahr” 2006 nun ja glücklicherweise seit einem Monat vorrüber ist und die Gesellschaft für deutsche Sprache erfreulicherweise auch nicht “Köchelverzeichnis” zum Wort des Jahres gekürt hat, ist eine kleine Mozartreferenz wohl gestattet. Schließlich hat er die obigen Worte der Alten auch nur vertont, wenn Sie ihm wohl auch allzu heftig aus dem Herzen gesprochen haben dürften: Die Alte, das schönste mir bekannte Gedicht über die Ewigkeit des Generationenkonflikts stammt aus der Feder von Friedrich von Hagedorn. An der Wahrheit seiner Erkenntnis dürften wohl auch im Jahre 2007 keine Zweifel aufkommen, wenn sich das Kampfgeschehen auch zunehmend digitalisiert.

Der Lehrer als Undercover-Agent seiner Generation

War der Konfliktstoff zu meiner Zeit noch das Ausmaß von Sexualerziehung im Biologieunterricht einer katholischen Schule, so ist es heute das verflixte Handy, Internet – also jugendliche Kommunikationsnetzwerke, die die Alten nicht verstehen können und denen sie gegenwärtig ihre Ängste vor Kontrollverlust verdanken, auch wenn eher das Gegenteil der Fall sein dürfte: Danah Boyd von der School of Information (früher SIMS) in Berkeley hielt auf der LeWeb3 Konferenz in Paris einen Vortrag über ein ähnlich gelagertes Problem: Die Konsequenzen der elterlichen (oder behördlichen) Nachvollziehbarkeit von jugendlicher Peer-Gruppen Kommunikation über Seiten wie myspace.com, die von allen einsehbar sind.

Insofern stellt sich mir die Frage, ob sich hinter der Aufforderung der Medienwissenschaftlerin Iren Schulz, die laut heise online mit einer Art Handy-Kunde im Unterricht die Medienkompetenz von Schülern fördern möchte, nicht eher der Versuch verbirgt, die Kontrollkompetenz der Eltern und Erzieher mit Unterrichtsmitteln zu verbessern.

Aber gerade weil die Untersuchung von jugendlichen Netzwerken für den Erkenntnisfortschritt im Bereich neuer Kommunikationstechnologien von enormer Bedeutung ist (siehe auch den vorigen Beitrag) sollte man meines Erachtens trotz aller Ängste der Elterngeneration um den Bestand der Zivilisation angesichts von Gewalt- und Porno auf dem Minibildschirm vorsichtig mit spezifischen Regulationen sein. Natürlich lösen, da hat Frau Schulz ohne Zweifel Recht, auch

“[s]chlichte Handy-Verbote in der Schule wie in Bayern … das Problem nicht.”

Aber das gilt wohl auch für eine “Handy-Kunde”, bei der die Schüler ihrem Lehrer vermutlich zunächst mal erklären werden, warum sein Gerät eigentlich seit 4 Jahren auf den Sondermüll gehört. Auf die Spezifizität von technischen Veränderungen und die sich aus ihnen ergebenden gesellschaftlichen Herausforderungen läßt sich nicht sinnvoll mit spezifischen Maßnahmen reagieren. Das Ziel der Bildungspolitik in diesem Zusammenhang sollte einzig die offenbar verbesserungswürdige Vermittlung allgemeiner Prinzipien sein, die die Entscheidungen von Jugendlichen auch in neuen technologischen Umfeldern leiten können: Kant gilt auch bei eingeschaltetem Handy.

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Economics

Wer die Welt verstehen will…

darf sich vor Statistik nicht fürchten. Folgende Zahlen hat Robert Basic auf BasicThinking.de gestern zitiert:

2005 betrugen die gesamten Einnahmen durch SMS über 74 Milliarden Dollar weltweit. Zum Vergleich: Hollywood spielte etwas unter 30 Milliarden Dollar ein, die Einnahmen der Musikindustrie lagen weltweit bei 35 Milliarden Dollar, und Videospiele, Konsolen, und Software brachten um die 40 Milliarden Dollar ein. Der Wert aller 2005 verkauften Laptops betrug 65 Millarden Dollar. SMS alleine bringen mehr ein als irgendeiner dieser Wirtschaftszweige (…) und SMS bedeuten immer noch über 90% Profit. Wir sollten diese Industrie lieben! (Tomi T. Ahonen, englischer Fach-Autor)

Und weil Statistik meist so eine trockene Angelegenheit ist, an dieser Stelle der wichtige Hinweis auf gapminder.org – die wunderbarste aller Statistikseiten (die ich kenne) – es ist wirklich geradezu unglaublich, wie Hans Rosling und seine Mitarbeiter langweilige UN-Statistiken zum Leben erweckt haben.

Mittlerweile gibt es auch (vielleicht gar nicht so überraschend) eine google-spezifische Flash-Version davon. Ich kann auch jedem nahe legen, sich den Webcast von Hans Roslings Vortrag anzusehen – wirklich sehr erhellend.

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Sport

Können Täuscher getäuscht werden?

Eine überaus berechtigte Frage. Hans Leyendecker berichtet auf SZ-online, daß Jan Ullrich möglicherweise doch bereit sei, wegen der Doping-Anschuldigungen gegen ihn einen DNA Test zu machen.

In einem Schreiben vom 22. Januar 2007 teilten seine deutschen
Anwälte der gegen Ullrich wegen Betrugsverdacht ermittelnden Bonner
Staatsanwaltschaft mit, der Sportler sei bereit, eine Speichelprobe in
Deutschland abzugeben. Das Erbmaterial soll danach mit Blut verglichen
werden, das im Mai 2006 beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes
gefunden worden ist und von Ullrich stammen soll. Ullrich bestreitet einen
Kontakt zu Fuentes.

Die ganze Affäre um Ullrichs angenommene Zusammanarbeit mit dem spanischen Arzt erscheint mir immer noch mehr als undurchsichtig: allein die Codenamen, die Fuentes in seinem Doping-Log für Ullrich und seinen sportlichen Berater Pevenage verwendet hat, sind so offensichtlich, daß es stutzig machen muß. Klar, vielleicht ist auch das Strategie oder Nachlässigkeit. Aber ist das wirklich eine plausible Hypothese bei einem derart sensiblen und nicht zuletzt strafrechtlich relevanten Vorgehen? Bei mir zumindest bleiben da Zweifel.

Zweifelhaft ist allerdings auch Jan Ullrichs Verhalten. Auch wenn ich seine bisherige Weigerung, eine Dopingprobe abzugeben, aus rechtsphilosophischen Gründen für überaus angemessen halte – gerade weil der zunehmenden technische und ökonomischen Verfügbarkeit von DNA Analysen eine natürliche Tendenz zur Beweislastumkehr innewohnt -, wäre es für einen Radprofi im letzten Drittel seiner Karriere doch eher ungewöhnlich den Märtyrer auf dem Altar der Rechtsphilosophie zu geben anstatt den – problematischen – Unschuldsbeweis anzutreten und befreit in die Vorbereitung auf die Saison 2007 zu gehen.

Und jetzt plötzlich doch eine DNA-Probe für den Unschuldsbeweis? Ich hoffe, seine Anwälte und sportlichen Berater haben nicht den Überblick verloren und beginnen, sich selbst zu täuschen, auch wenn Täuschung, wie Hans Leyendecker bemerkt, Teil der Verteidigungsstrategie sein könnte, im Fall der Fälle:

Für den Fall, dass Blut und Speichelprobe übereinstimmen sollten, könnten nach Ansicht von juristischen Experten die Anwälte womöglich argumentieren, Ullrichs früherer Arbeitgeber Telekom sei gar nicht von ihm getäuscht worden. Denn obwohl in den Verträgen mit Radsportprofis das Dopen strikt verboten ist, gilt die Radsportbranche als dopingverseucht. Wenn aber das Milieu ein Sumpf ist, dann gibt es auch keine einzelnen Sumpfblüten mehr.

Wer weiß, vielleicht haben ja sowohl der Richter als auch die Verteidiger den entsprechenden Themenabend bei Dr. House auf RTL gesehen, auch wenn der wohl eher an Lance Armstrong erinnern sollte. Die Episode “Tanz ums Feuer” (“Spin” im Original, englisch) wurde schließlich erst Ende November ausgestrahlt.

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almost a diary, cinema, filme

Großes Kino made in Mainz!

Pilù und Pandemia - Großes Kino made in Mainz Wer hätte gedacht, daß ich an dieser Stelle mal Auszüge aus einer Pressemitteilung veröffentlichen würde. Macht mich das gleich zum Business Blogger? Oder vielleicht zum Kultur-Blogger, angesichts des Sachgegenstands? Vielleicht sind Kategorien aber auch einfach unangebracht, wenn es um die Premiere des neues Films eines Freundes geht, an dem ich auch noch mitgewirkt habe. Also ergeht die Einladung ohne weitere Umschweife, denn –

Es tut sich was im Mainzer Kino! Drei Jahre nach der Premiere ihres erfolgreichen Kultstreifens „CARNE VALE – Fastnacht der toten Seelen“ (DVD – Kurtsfilme.de) stellen die Mainzer Filmemacher Sebastian Linke und Daniel Stümpfig ihre jüngsten Werke erneut in der Gutenbergstadt der Öffentlichkeit vor. Die Filme „PANDEMIA“ (Stümpfig) und „PILÙ oder das andereLeben“ (Linke) werden am 2. Februar 2007 um 20 Uhr in der Kultur-Kasematte in Mainz mit anschließender Premierenfeier uraufgeführt.

Zwei außergewöhnliche Kurzfilme mit einer Gesamtlänge von 50 Minuten und anschließender Premierenfeier – zu erleben am 2. Februar um 20 Uhr in der Kultur-Kasematte (Zitadellenweg 1, 55131 Mainz), der Eintritt kostet drei Euro. Die Regisseure und ihre Teams sind anwesend und freuen sich, dem Publikum und Vertretern der Presse Rede und Antwort zu stehen.

Letzteres gilt selbstverständlich auch für mich. Ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte der Titelmusik habe ich an dieser Stelle ja bereits vor einigen Tagen geschrieben. Alles andere dann vor Ort…

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songs, songwriting

Mond über Mainz

Nachdem ich gerade ein Podcasting Plugin gegen ein anderes ausgetauscht habe, und ich mich im Moment des Eindrucks nicht erwehren kann, daß es funktioniert, kommt hier ein neuer Song. Ein deutscher diesmal, allerdings ist der Text nicht von mir, sondern von meinem Freund Sebastian Linke, der nicht nur Filmemacher, sondern auch Schlagzeuger der Mainzer Oi!-Punk Formation “SpringtOifel” (Wikipedia.de) ist. Daher hat er auch fast immer einen deutschen Text in der Schublade, aus der er letztes Frühjahr den zu “Mond über Mainz” zog.

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Fußball, Sport

Mainz gewinnt wieder: 14 Punkte.

Wer hätte das gedacht? Drei Wochen Winterpause und ein paar Gespräche mit eigens engagierten Motivationstrainern und Mainz 05 ist wieder ganz die alte Mannschaft – ein Team, das Zweikämpfe sucht und meistens gewinnt, das sogar in der Offensive mal einen Akzent zu setzen weiß, auch wenn heute in Bochum nur ein Tor heraussprang. OK, die Neuzugänge der Winterpause haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, auch heute auf dem Platz, aber der Kern der Mannschaft war der gleiche, der sich vor gut zwei Monaten von Schalke 04, Bayern München und dem SV Werder Bremen abschlachten ließ.

Es sieht so aus, als ob sich das Sprichwort hier bewahrheiten könnte: Was nicht tötet, härtet ab. Ergebnis des 18. Spieltags der Fußball-Bundesliga: Immer noch Letzter, aber gegen einen direkten Konkurrenten zwei Punkte auf den 15. Tabellenplatz gut gemacht.

Im übrigen gibt es auch heute nicht nur schlechte Nachrichten für Bochumer, zumindest, wenn sie Anhänger von Wattenscheid 09 sind: Das war nämlich laut Arena-Kommentar der letzte Verein, der es mit nur einem Sieg in der Hinrunde geschafft hat, den Abstieg noch zu verhindern…

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songs, songwriting

Still – Titelsong für “Pilù oder das andere Leben”

Pil oder das andere LebenSo, jetzt hat almostadiary.de auch einen, mittels des WordPress Plugins “Podpress” realisierten, Podcast. Kaum jemand unter Ihnen, verehrte Leser, dürfte wissen, daß ich schon lange bevor Steve Jobs und sein mp3-player die Welt eroberten Podcasts hergestellt habe: Schon als Teenager habe ich nicht nur einfache Mixtapes hergestellt, sondern diese auch moderiert. Aber die technischen Möglichkeiten sind heute natürlich ganz andere.

Ich werde zwei Feeds anbieten: Einen almostadiary-Feed, der sowohl meine Songs als auch alle anderen zukünftigen Podcasts auf almostadiary enthält, sowie einen tapsmusic-Feed, der ausschließlich meine Songs beinhalten wird. Beide werden demnächst wohl auch bei iTunes angemeldet und sind dann auch über den iTunes Music Store zu beziehen.

So, und jetzt zur ersten Episode im almostadiary-podcast, einem Song mit dem Titel “Still“.

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Economics

Working Poor

Der seit Jahren abnehmende Anteil von Lohneinkommen am Sozialprodukt entwickelter Wirtschaften wird so langsam in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Letzte Woche der Economist, gestern erklärte Stephen Roach von Morgan Stanley am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, daß “der Film der letzten 15 Jahre jetzt so langsam zurückgespult werden würde”, heute finde ich einen Artikel zum Thema von Dieter Wermuth im Herdentrieb-Blog.

Es ist zwar nicht ganz richtig, daß sich der Economist erst jetzt mit dem Thema beschäftigt – ich erinnere mich an einen Artikel Ende Februar 2005 und in der Weihnachtsausgabe (sic!) 2005 wurde die Frage auch schon mal ausführlicher behandelt – aber die zunehmende Beschäftigung mit der Frage kann sicher nicht schaden. Also: Lesen, und noch mal lesen.

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